Wichtige Fragen

... und unsere Antworten

Wenn man jemandem Gewalt antut, geschieht dies in der Regel ganz bewusst und willentlich. Die Bereitschaft, anderen Menschen zu schaden, ist durchaus etwas, was man als Teil der Persönlichkeit bezeichnen kann und sagt einiges über Täter(innen) aus. Von Gewalt betroffen zu sein, ist hingegen keine freie Entscheidung. Auch sagt es nichts über die Persönlichkeit des Betroffenen aus, ist man doch Situationen ausgesetzt, die einem das Gefühl von Ohnmacht geben. Denn jedes Individuum, mit all seinen Stärken und Schwächen, kann von Gewalt betroffen sein. Deshalb lehnen wir es ab, Jungen mit dem Begriff „Opfer" in eine Schublade zu stecken und versuchen eher von „Betroffenen" zu sprechen.

Viele Jungen*, Jugendliche und junge Männer*, die Gewalt erlebt haben, berichten uns, dass sie in der Zeit danach ziemlich durcheinander waren. Sie berichten von

  • schlimmen Träumen
  • Angst
  • Trauer
  • Wutausbrüchen
  • Panikattacken
  • schlechten Bildern im Kopf
  • Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren
  • Vermeidung von bestimmten Orten und Handlungen

All dies und mehr kann die Folge von Gewalterfahrungen sein und verschwindet meist nach einiger Zeit auch wieder. Hilfreich ist es oft, die Reaktionen der Seele und des Körpers als eine sinnvolle Schutzreaktion zu verstehen und Formen zu finden, das Erlebte zu verarbeiten. Wir wollen helfen, dass diese Belastungen weniger werden.

Diese Frage ist eine sehr intime und ob du dich als Junge* fühlst, so ganz oder auch nur in Teilen, kannst nur du für dich selbst beantworten. Die Geschlechterkategorien „Junge" und „Mädchen" werden den Bedürfnissen und Empfindungen vieler Menschen nicht gerecht und es gibt eine große Anzahl von Personen, die damit wenig anfangen können und sich nicht in diese festen Muster pressen lassen wollen. Vielmehr denken auch wir, dass es viele verschiedene Trans*Identitäten geben kann – und zwar mindestens so viele, wie es Menschen gibt.

Deshalb können wir dir sagen: ja, wir sind eine Beratungsstelle für Jungen* und junge Männer*. Aber ob du dich davon angesprochen fühlst, kannst du dabei ganz allein entscheiden. Und wenn dem so ist, bist du herzlich eingeladen, dich bei uns zu melden.

Und weil Jungen* sehr verschieden sind und längst nicht alle Menschen sich als männlich oder weiblich definieren, verwenden wir das Sternchen* hinter Jungen* und Männer*, um diese Vielfalt abzubilden.

Nein, du musst deine Eltern nicht um Erlaubnis fragen. Ganz gleich ob du anrufen oder uns persönlich treffen willst. Das gilt natürlich auch für die Onlineberatung. Wir beraten dich auch anonym, also ohne dass du deinen Namen nennen musst.
Wenn du es möchtest, kannst du Erwachsene oder Freunde mitbringen, denen du vertraust.

Das Bremer JungenBüro liegt direkt in der Bremer City, schräg gegenüber von der Sögestraße (Fußgängerzone). In dem Haus gibt es auch Ärzte, Anwälte und Firmen. Niemand kann wissen, dass du in die Beratungsstelle gehst.

Wenn du einen Termin gemacht hast, klingelst du unten, und gehst dann in die 4. Etage oder fährst mit dem Fahrstuhl in die 5. Etage und gehst eine halbe Treppe runter.

Wir hören dir zu! Und wir wissen, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Und auch wenn es scheinbar unglaublich ist, was dir passiert ist, es ist dir passiert.

Manchmal glauben wir selber nicht mehr, was wir erlebt haben, zum Beispiel wenn etwas schon länger her ist, oder weil uns die Erinnerungen ganz verschwommen vorkommen. Dann ist es gut, die Dinge auszusprechen, damit sie wieder wahr werden und wir nicht glauben, selber verrückt zu sein.

In der Beratungsstelle bestimmst du, was du erzählen willst, und du bestimmst, wie es danach weiter geht.

In die Beratungsstelle kommen Jungen* genauso wie Jugendliche und  junge Männer*, um sich beraten zu lassen.

Sexueller Missbrauch oder sexualisierte Gewalt ist, wenn ein Junge* z.B.

  • gegen seinen Willen von einem Jugendlichen, einem Mann* oder einer Frau* sexuell angefasst, an intimen Stellen berührt oder bedrängt wird
  • zugucken muss, wenn Erwachsene oder Jugendliche miteinander Sex haben
  • sich nackt fotografieren lassen muss
  • einen Mann* oder Jungen* am Penis oder Po anfassen muss
  • eine Frau* oder ein Mädchen* an Scheide, Brust oder Po anfassen muss
  • gegen seinen Willen am Penis oder am Po angefasst wird
  • im Internet ekelige Anträge, Aufforderungen, Bilder oder Pornos zugeschickt oder gezeigt bekommt
  • vergewaltigt wird, das heißt, dem Jungen* der Penis, der Finger oder Gegenstände in den Po oder in den Mund gesteckt werden
  • zum Sex gezwungen oder überredet wird
  • zugucken muss, wenn ein Erwachsener oder Jugendlicher sich einen runterholt oder sich Pornos anguckt
  • noch vieles andere

 

Auch nicht in Ordnung finden wir

  • ekelige Blicke, die einen „ausziehen“
  • doofe sexuelle Anmachen
  • wenn man über Sex sprechen soll, ohne es zu wollen
  • gewaschen werden, obwohl ein Junge* schon alt genug ist, sich selbst zu waschen
  • wenn Oma, Opa, Tante, Onkel, Mutter oder Vater einem Jungen* z.B. ekelige Knutsch-Küsse geben oder er jemanden küssen soll, obwohl er das nicht will

 

Ganz allgemein ist sexueller Missbrauch...

...jede sexuelle Handlung, die durch einen Mann*, eine Frau* oder eine(n) ältere(n) Jugendliche(n) an oder vor einem Kind vorgenommen wird bzw. die das Mädchen* oder der Junge* an oder vor einem Täter/einer Täterin gegen seinen/ihren Willen vornehmen soll. Dabei besteht ein Machtgefälle zwischen den jugendlichen oder erwachsenen Tätern/Täterinnen und den Betroffenen, z.B. aufgrund von Abhängigkeit, Altersunterschied oder Unterlegenheit.

Wir sprechen lieber von sexualisierter Gewalt und nicht von sexuellem Missbrauch, um ganz deutlich zu machen, dass es sich bei diesen Handlungen um Gewalt handelt.

Mobbing und Ausgrenzung bedeutet, dass ein einzelner Junge* (oder auch ein einzelnes Mädchen*) regelmäßig über einen längeren Zeitraum z.B.

  • ausgegrenzt
  • gedemütigt
  • ausgelacht
  • schlecht gemacht
  • geschubst
  • gehauen
  • nicht beachtet
  • fertig gemacht
  • oder zu unrecht beschuldigt wird.

Am häufigsten erleben Mädchen* und Jungen* Mobbing in der Schule, denn da können sie sich der Situation nicht entziehen, weil sie hingehen müssen. Manchmal sind es ein paar Mitschüler und oder Mitschülerinnen, manchmal ist es die halbe oder sogar die ganze Klasse, die für diese Gemeinheiten verantwortlich sind. Die Bullys, so nennt man die hauptverantwortlichen Mitschüler_innen, sind in der Klasse oft meinungsbildend, dass heißt, sie versuchen zu bestimmen, wer oder was cool ist, wie man sein muss, um dazu zu gehören,

wer „in“ oder „out“ ist. Sie kommen auf immer neue gemeine Ideen, wie man andere demütigen kann, und denken, dass sie dadurch beliebt sind oder anerkannt werden. Oft liegt einer Mobbingdynamik auch ein Leitungsproblem zugrunde, d.h. Lehrer_innen, pädagogische Fachkräfte etc. schauen nicht genau hin oder weg, verharmlosen die Gewalt oder verstärken mit ihrem Verhalten das Mobbing.

Cyber-Mobbing

Es gibt auch Mobbing m virtuellen Raum, z.B. bei WhatsApp oder Facebook.

Wenn man auf diese Art geärgert oder gequält wird, nennt man das Cyber-Mobbing. Mobbing, egal in welcher Form, ist Gewalt und sollte nicht verharmlost werden.

Gewalt in der Familie

ist Gewalt zwischen Menschen, die in einer Partnerschaft oder Familie zusammen leben. Zum Beispiel, wenn

  • Mutter oder Vater ihr Kind schlagen
  • Eltern ihren Kindern Schläge androhen oder seelische Gewalt ausüben
  • Eltern sich nicht um ihre Kinder kümmern und/oder sie vernachlässigen
  • Geschwister einen unterdrücken, quälen oder schlagen
  • Kinder nicht richtig versorgt werden, z.B. mit genügend Essen
  • ein Elternteil den anderen schlägt, oder Geschwister geschlagen werden

Gewalt ist nicht gleichbedeutend mit Schlagen. Auch Bedrohen, Erpressen, Vernachlässigung oder Nichtbeachtung sind Formen von Gewalt.

Manchmal werden hierfür auch die Worte häusliche Gewalt oder innerfamiliäre Gewalt verwendet.

In Deutschland ist es gesetzlich verboten, Kinder zu schlagen. Für Kinder ist es sehr belastend, wenn sie selbst Gewalt durch Angehörige erleben. Aber, auch wenn sie Gewalt gegen andere Familienmitglieder mit ansehen müssen, hinterlässt das oft Spuren. Jeder 5. bis 10. Junge* erlebt diese verschiedenen Formen von Gewalt oder hat sie früher erlebt. Manche einmalig, andere regelmäßig.

Sexueller Missbrauch in der eigenen Familie

Es ist natürlich auch Gewalt, wenn Kinder in der eigenen Familie sexuellen Missbrauch bzw. sexualisierte Gewalt erleben, z.B. durch

  • den Vater oder Stiefvater
  • die Mutter oder Stiefmutter
  • Pflegeeltern
  • Tante oder Onkel
  • die Großeltern
  • Brüder oder Schwestern
  • andere Familienmitglieder

Gewalt im öffentlichen Raum bedeutet für uns, wenn ein Junge* z.B.

  • von einer Clique aus der Nachbarschaft erpresst wird
  • von ihm unbekannten Jugendlichen verprügelt wird
  • vor der Disco geschlagen wird
  • auf der Straße mit einem Messer bedroht wird
  • gezwungen wird, Sachen zu machen, die er nicht machen will
  • auf dem Nachhauseweg beleidigt oder angemacht wird

Rangeleien, Drohungen, Schlägereien, Erpressung, Stress mit einer Clique haben... dies alles kann sehr belasten und wird von uns sehr ernst genommen. Es gibt viele gewalttätige Situationen von denen Jungen* oder junge Männer* betroffen sein können.

Kinder sind neugierig, sie wollen sich und auch ihren Körper entdecken. Mit dem Begriff „Doktorspiele“ wird diese Art Spiel gerne umschrieben, und sie sind im Kindergarten und teilweise auch in der Grundschule nicht ungewöhnlich.

Aber es kommt immer wieder vor, dass Kinder im Kindergarten oder der Grundschule auch sexuelle Übergriffe auf andere Kinder begehen.  

Wenn ein Kind von einem Übergriff betroffen ist, kann das zu starken Belastungen führen, auch für die Angehörigen. Der Junge* schläft schlechter, verhält sich wieder „jünger“, zeigt Ängste, will nicht mehr in den Kindergarten, wirkt unruhiger. Wir unterstützen betroffene Jungen* und ihre Angehörigen.

Doch auch Angehörige deren Kinder solche Übergriffe begehen, brauchen Rat und Unterstützung. Wir klären gemeinsam, welches Verhalten in Ordnung ist und welches Verhalten Grenzen anderer Kinder verletzt, suchen nach Ursachen und unterstützen die Angehörigen darin, dieses Verhalten zu stoppen.

Nicht nur Mädchen*, sondern auch viele Jungen* und junge Männer* machen in ihren Beziehungen oder Partnerschaften belastende Erfahrungen. Hierzu können verbale Aggressionen, Drohungen oder Erpressung ebenso zählen, wie körperliche oder sexuelle Gewalt. Den Betroffenen fällt es häufig schwer, sich Unterstützung zu holen, weil sie sich schämen, den Partner bzw. die Partnerin nicht „verraten“ oder verlieren möchten oder niemanden haben, mit dem sie darüber sprechen können. Wir möchten Jungen* und junge Männer* ermutigen, mit diesen negativen Erfahrungen nicht alleine zu bleiben, sondern gemeinsam mit uns nach Lösungen zu suchen.

Welche Situationen, Begegnungen oder Erlebnisse ein Mensch als grenzverletzend oder gewalttätig erlebt, kann nur jeder für sich selbst entscheiden. Wir kennen aus unserer Praxis viele weitere Gründe, sich an unsere Beratungsstelle zu wenden, die wir im folgenden kurz benennen möchten. Diese Aufzählung kann nie vollständig sein. Deshalb schauen wir, welche Hilfe wir anbieten können, oder welche anderen Beratungsstellen oder Hilfsangebote wir empfehlen würden.

Gewalt gegen geschlechtlich „nonkonforme“ Menschen - Transphobe und homophobe Gewalt

Die Geschlechterkategorien „Junge“ und „Mädchen“ werden den Bedürfnissen und Empfindungen vieler Menschen nicht gerecht und es gibt eine große Anzahl von Personen, die damit wenig anfangen können und sich nicht in diese festen Muster pressen lassen wollen. Auch wir denken, dass es viele verschiedene Trans*Identitäten geben kann. Menschen, die noch dabei sind, ihre geschlechtliche und sexuelle Orientierung zu suchen, benötigen einen besonderen Schutz und anerkennende Unterstützung. Sie sind aber auch in besonderer Weise Diskriminierungen und Gewalt ausgesetzt. Wir sind eine Beratungsstelle für Jungen* und junge Männer*. Aber jeder junge Mensch, der sich von unserem Beratungsangebot angesprochen fühlt, ist bei uns herzlich Willkommen, Beratung und Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Zwangsheirat

In der Öffentlichkeit wird kaum wahrgenommen, dass auch junge Männer* darunter leiden, gegen ihren Willen einen anderen Menschen heiraten zu müssen. Zwangsheirat wird in einigen Kulturen als Tradition gesehen, als Zeichen familiären Zusammenhalts. Bei jungen Männern*, die schwul sind, geht es auch um die Macht, sie in ein aus Sicht der Eltern passendes Leben zu zwingen. Darum möchten wir an dieser Stelle klarstellen: Zwangsheirat ist eine Form von Gewalt und verstößt gegen Menschenrechte! Sie ist durch keine Tradition zu rechtfertigen. Auch in Deutschland ist Zwangsheirat verboten.

Weitere Formen von Gewalt, die wir in der Beratungsstellen beraten, sind z.B.:

  • Gewalt in ersten Liebesbeziehungen
  • K.O.-Tropfen
  • Sexuelle Übergriffe im Netz
  • Rassistische Gewalt
  • Gewalt am Arbeitsplatz
  • Gewalt in Institutionen